„Die besten Talente sind auf der ganzen Welt verteilt"
United Parcel Service (UPS) ist dafür bekannt, immer in Bewegung zu sein. So war es gar nicht verwunderlich, dass Frank Sportolari, CEO von UPS Deutschland, in einem Zug von Düsseldorf nach München saß, als wir mit ihm sprachen: Über UPS, jenen Arbeitgeber, der “im Herzen Trucker geblieben” ist, die Auswirkungen des Umzugs der US-Firmenzentrale nach Atlanta, Georgia, sowie die starken Verbindungen zu Deutschland – einem Land, das Frank Sportolari in Bezug auf UPS stolz als "größten Innovationsschub aller Zeiten" bezeichnet.
Herr Sportolari, UPS ist in mehr als 220 Ländern und Regionen weltweit aktiv. In einer globalisierten und digitalisierten Welt verändern sich kontinuierlich die Anforderungen der Verbraucher. Entsprechend befindet sich die Logistik in einem rasanten Wandel. Welche Rolle spielen Innovation und Vertrauen bei UPS?
Frank Sportolari: Der Versuch, mit jedem neuen Tag noch effizienter zu sein, ist seit jeher ein wichtiges Markenzeichen der Logistik – und die ist immerhin mehrere tausend Jahre alt. Bei UPS haben wir ein Prinzip, das wir "konstruktive Unzufriedenheit" nennen. Das bedeutet, dass wir ganz unabhängig von unseren Ergebnissen immer wieder prüfen, was wir effizienter tun oder was wir ändern könnten.
Die Erfindung neuer Produkte ist natürlich etwas, das für uns sehr wichtig ist. Gleichzeitig ist es etwas, das wir immer getan haben. Ich glaube, die Logistikbranche war eine der ersten, die vollständig digitalisiert wurde. Ich erinnere mich noch gut an den großen “Kampf”, den wir Anfang der 90er Jahre geführt haben, um die elektronische Unterschrift in Deutschland durchzusetzen. Doch schon damals, vor 30 Jahren, haben wir versucht, wichtige Prozesse zu digitalisieren. Die Digitalisierung eröffnet uns eine ganz neue Welt der Möglichkeiten – darunter einen insgesamt verbesserten Service sowie Schlüsseltrends wie Drohnen, autonomes Fahren und künstliche Intelligenz.
Der digitale Wandel in der Logistikbranche wirkt sich auch auf die Mitarbeiter aus. Neue Software- und Cloud-Technologien prägen die Branche und erfordern IT-Know-how. UPS ist dafür bekannt, sehr gute Aufstiegschancen zu ermöglichen. Wo finden Sie qualifizierte Mitarbeiter und was macht UPS zu einem so attraktiven Arbeitgeber?
Frank Sportolari: Von Anfang an, als Jim Casey das Unternehmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründete, hat UPS einen starken Fokus auf den Aufbau des richtigen Teams gelegt. Bis heute prägt das unser unternehmerisches Handeln ungemein. Das “richtige Team” zu bilden bedeutet, dass jeder unserer Mitarbeiter unsere Strategie versteht und jeder weiß, was wir zu tun haben und wie wir es tun wollen. UPS hat schon immer intensiv in die Aus- und Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter investiert. Dies ist auch ein Markenzeichen unseres Unternehmens. Wir stellen Menschen ein und wollen, dass sie ihre gesamte Karriere über bei uns bleiben. Ich selbst bin seit 32 Jahren bei UPS. Unser CEO David Abney ist sogar seit 43 Jahren im Unternehmen tätig.
David begann im Alter von 18 Jahren in Mississippi, neben dem Studium bei UPS Geld zu verdienen. Inspiriert von dieser Geschichte versuchen wir, das Unternehmen so zu gestalten, dass es für unser Team ein attraktiver Arbeitsplatz ist. Wir öffnen Türen und geben Chancen. Viele beginnen ihre Karriere bei UPS mit einem klassischen Einstiegsjob und arbeiten sich nach oben – das ist extrem typisch für UPS.
Unser Hauptaugenmerk liegt derzeit auf dem Thema Vielfalt, insbesondere außerhalb der USA. Wir sind uns bewusst, dass die besten Talente über die ganze Welt verteilt leben. Wir sind ein globales Unternehmen, und unsere Belegschaft sollte diese Tatsache natürlich auch widerspiegeln.
Interessanterweise wird die Logistik gerade in Deutschland oftmals nicht als klassische Branche für Frauen angesehen. Unser Ziel ist es, nicht nur mehr weibliche Fahrerinnen zu gewinnen, sondern sie auch in mittlere und höhere Führungspositionen zu bringen. So haben wir beispielsweise Management- und Trainee-Programme entwickelt, bei denen wir Menschen, die ihr Studium abgeschlossen haben, auf kurzem Weg in Richtung Management schulen können. Unsere Führungskräfte haben sehr unterschiedliche akademische Hintergründe. Bei UPS dreht sich alles um den so genannten “Spirit”, die innere Einstellung. Also finden wir Menschen, die unseren Spirit teilen und ihre Denkweise in das Unternehmen miteinbringen.
UPS betreibt seit 1991 seine US-Zentrale in Atlanta, Georgia. Welche Gründe sprachen für diese Standort-Entscheidung?
Frank Sportolari: Damals war ich bereits fünf Jahre lang im Unternehmen beschäftigt und unser Hauptsitz befand sich zunächst in Greenwich, Connecticut – einem Vorort von New York City. Interessanterweise war es während des Booms schwierig, Menschen für den Großraum New York zu begeistern, da die Mieten hoch und die Stadt einfach so groß war. UPS wollte einen geeigneten Standort finden, wo auch die Mitarbeitern gern mit ihren Familien leben möchten.
Wer auch immer damals Georgia ins Spiel gebracht hat, hatte eine echte Vision. Vor fast 30 Jahren war Atlanta schließlich nicht die Stadt, die sie heute ist. Als ich in den 1970er Jahren zum ersten Mal hier war, war es wirklich ein Dorf.
Atlanta hatte nach den Olympischen Spielen 1996 seinen großen Boom – doch zu dieser Zeit war UPS längst dort ansässig. Die Menschen sind sehr zufrieden mit dieser Wahl. Entsprechend hilft es uns natürlich auch, gute Leute für uns zu gewinnen. Georgia ist ein toller Staat. Man wohnt gerne hier mit seiner Familie. Das Klima ist mild und nur wenige Kilometer außerhalb der Metropole Atlanta finden Sie herrliche kleine Städte und südstaatliche Gastfreundschaft.
Auch gebäudetechnisch ist unser Firmensitz in Atlanta absolut fantastisch. UPS ist nie opulent – ich würde sagen, im Herzen sind wir Trucker –, aber es ist ein sehr schönes Büro, das unser Unternehmen gut repräsentiert. Im vergangenen Jahr haben wir unseren neuen Super Hub* eröffnet, die zweitgrößte Bodenverpackungsanlage in den USA. Allein die schiere Größe, die ganze 19 Fußballfelder, umfasst, ist atemberaubend. Ich glaube, alle sind sehr zufrieden mit der Entscheidung, unsere Zentrale 1991 nach Georgia zu verlegen.
Übrigens: Ein weiteres wichtiges Argument, mit dem Georgia überzeugt, ist der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport. Das ist der verkehrsreichste Flughafen der Welt und auch die beiden Seehäfen machen den Bundesstaat Georgia zu einem idealen Knotenpunkt der Logistik.
“Wer auch immer dafür verantwortlich ist, Unternehmen nach Atlanta zu holen, macht seine Arbeit gut”
Vor einigen Jahren konnte man es noch kaum glauben, wenn einem jemand erzählte, was für eine lebenswerte Stadt Atlanta ist. Mittlerweile sind viele unserer Geschäftspartner ebenfalls hier ansässig – ein großer Pluspunkt.
Und Georgia ist im Bereich Export sehr aktiv. Tatsächlich exportieren und handeln nur ein Prozent der Unternehmen in den USA international – ein erstaunlich niedriger Wert. Wirft man jedoch einen Blick auf Georgia, konnte der Staat allein im vergangenen Jahr eine Summe in Höhe von 45 Milliarden Dollar an Exporten und 71 Prozent Exportwachstum verzeichnen. Deutschland ist dabei einer unserer größten Handelspartner.
Deutschland unterhält seit 1861 eine konsularische Präsenz in Georgia. Was bedeutet das für ein Unternehmen wie UPS?
Frank Sportolari: Ich habe diese Zahl auch gehört, aber ganz ehrlich, ich kann es gar nicht glauben. Atlanta 1861 – es gab dort tatsächlich nichts und dann wurde die Stadt auch noch niedergebrannt. Die langjährige Präsenz der Bundesrepublik ist für mich ein weiteres Zeichen dafür, wie intensiv die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sind. Überhaupt – wenn man sich die Geschichte der USA einmal ansieht, tauchten überall Deutsche auf.
Was würden Sie einem deutschen Unternehmen raten, das eine Standortverlegung in die USA in Betracht zieht?
Frank Sportolari: Das ist eine interessante Frage. Tatsächlich haben sich insbesondere im Rahmen meines Turnus als Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Deutschland) Unternehmen recht häufig an mich gewandt und gefragt: "Wohin sollen wir gehen?”. Tja, das hängt sehr stark von der Art Ihres Unternehmens ab. Wenn Sie zum Beispiel in der Automobilindustrie tätig sind, sollten Sie vermutlich in der östlichen Hälfte der USA bleiben, da es dort eine Menge Produktionsanlagen gibt. Wenn Sie im Bereich Hightech aktiv sind, sind Sie in San Francisco gut aufgehoben. Es hängt wirklich von Ihren individuellen Bedürfnisse ab. Wenn Sie einen starken Fokus auf die Produktion legen und nach einem attraktiven, lebenswerten Ort für Ihre Mitarbeiter suchen, ist Atlanta, Georgia, definitiv ein heißer Tipp. Es ist eine unglaublich internationale Stadt – und das ist ein echtes Plus.
Was sind Ihre Lieblingsplätze in der Atlanta?
Frank Sportolari: Ein faszinierender, sehr bewegender Ort in Atlanta ist das Civil Rights Museum. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Zudem gibt es in der ganzen Stadt viele tolle Restaurants und ein fantastisches Symphonieorchester. Dazu natürlich jede Menge Sport. Ich liebe den amerikanischen Sport und wann immer ich die Zeit habe, versuche ich mir etwas anzusehen.
“Wenn Sie in Atlanta sind, wird es Ihnen an nichts fehlen”
Doch, ich muss zugeben – als Deutscher werden Sie hier nie glücklich mit dem Brot sein.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
*Der 2018 eröffnete UPS Super Hub Atlanta ist ein strategisch günstig gelegenes, 1,2 Millionen Quadratfuß (etwa 100.000 Quadratkilometer) großes Sortier- und Distributionszentrum. Es ist das zweitgrößte im US-Netzwerk von UPS und wird 100.000 Einheiten pro Stunde sortieren.
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