„Das Klima für Investitionen in Georgia ist sehr gut“

„Georgia on my mind“ – der charmante Bundesstaat im Südosten der USA, den unter anderem Ray Charles in einem der beliebtesten Songs aller Zeiten besang, ist bekannt für seine Southern Hospitality. Freundlichkeit dominiert den Staat mit dem ganzjährig milden Klima. Die Mega-Metropole Atlanta lockt jedes Jahr Millionen von Besuchern an. Viele von ihnen betreten den US-Staat am Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport, dem betriebreichsten Flughafen der Welt.

 

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Der Kölner Martin Richenhagen leitet in Duluth, Georgia, die US-amerikanische AGCO Corporation. (Bild: AGCO)

Auch Unternehmen schätzen Georgia als attraktiven US-Standort und Logistik-Primus sehr. In Duluth, 30 km nordöstlich von Atlanta am Ostufer des Chattahoochee River, leitet der sympathische Kölner und Träger des Bundesverdienstkreuzes Martin Richenhagen den Konzern AGCO Corporation – ein weltweit renommierter Hersteller von Traktoren und Landmaschinen, zu dem unter anderem die deutsche Traditionsmarke Fendt gehört.

Der Geschäftsmann, ehemalige Religionslehrer und passionierte Dressurreiter- und -Richter schätzt Georgia sehr. Wir sprachen mit Martin Richenhagen über die Vorteile des Südstaates, smarte Technologie auf den Feldern und in den Ställen sowie die soziale Verantwortung, der der Großkonzern durch umfangreiche Forschung und Gespräche mit Wirtschaft und NGOs Rechnung trägt.

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Lieber Herr Richenhagen, AGCO gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Traktoren. Während hier in Deutschland etwa die Hälfte der Fläche landwirtschaftlich genutzt wird, sieht es in den USA dimensional ganz anders aus.

Nach Angaben des 2017er Census gibt es hier 2,4 Millionen Farmen auf insgesamt etwa 3.642.174 km². 96 Prozent der Betriebe befinden sich in Familienbesitz. Warum haben Sie sich für Georgia entschieden – und nicht einen der „klassischen“ Farming-Staaten wie Texas, Missouri oder Iowa?

Martin Richenhagen: Ausschlaggebend für diese Entscheidung war vor allem die gute Verbindung. Wenn man in einem der von Ihnen genannten Staaten ist, hat man natürlich immer das Problem, vernünftige Flugverbindungen zu finden. Wir sind ein sehr internationales Unternehmen. Ungefähr 70 Prozent unseres Umsatzes generieren sich aus dem Export in die ganze Welt. Dabei unterhalten wir Fabriken in Europa, Russland, China, Indien, Brasilien, Argentinien, Mexiko und vielen weiteren Staaten. Da ist es natürlich ganz wichtig, dass man gut erreichbar ist.

In Georgia haben wir ein nagelneues Montagewerk für Traktoren in Savannah errichtet, der Bau befindet sich gerade in der Endphase. Savannah ist aufgrund seiner logistischen Position ideal. Wir können dort Komponenten sehr gut anliefern lassen und fertige Produkte in die ganze Welt transportieren.

Hat Ihre Standort-Entscheidung für die Zentrale in Georgia auch eine Verschiebung der Lieferkette gen Georgia und den Südosten der USA bewirkt?

Martin Richenhagen: Tatsächlich nicht so stark, da wir immer vor Ort produzieren: dort, wo unsere Kunden sind. Unsere US-amerikanischen Fabriken operieren wir in der Nähe der hiesigen Landwirte. Die Fabriken in Mexiko und Brasilien beispielsweise produzieren ausschließlich für die lokalen Märkte. Entsprechend sind wir sehr dezentral organisiert.

Wir betreiben zwar hier in Georgia unseren zentralen Einkauf, aber unsere Lieferanten für Komponenten und Teile kommen aus der ganzen Welt.

Georgia ist logistisch ideal positioniert. Inwiefern trägt der Standort zu den globalen Ambitionen von AGCO bei?

Martin Richenhagen: Die Verwaltung und die Regierung in Georgia sind extrem „Business-friendly“, wie man in Amerika sagt. Da ist man aus anderen Ländern dieser Welt eher nicht so gewöhnt.

Hier kommt der Gouverneur oder beispielsweise auch Senatoren und stellen die Frage: „Was können wir für Sie tun?“. Das reicht von der Bürgermeisterin von Duluth bis hin zum Gouverneur.

Und wir haben das große Glück, dass wir nun auch in Washington ganz gut vertreten sind, weil der ehemalige Gouverneur von Georgia jetzt Landwirtschaftsminister ist. Das führt zu einer sehr guten Vernetzung. Insgesamt ist das Klima für Investitionen in Georgia sehr, sehr gut.

Stichpunkt Innovation: Drei Viertel der US-Farmbetriebe sind nach Census-Angaben mittlerweile vernetzt, der Digitalisierungsgrad in der Landwirtschaft wächst in großen Schritten.

Ein spannender Trend ist das sogenannte „Precision Farming“, bei dem die Unterschiede des Bodens und der Ertragsfähigkeit innerhalb eines Feldes berücksichtigt werden. Moderne Sensorik spielt dabei eine wichtige Rolle. Wo sehen Sie die Chancen und Herausforderungen für landwirtschaftliche Unternehmen?

Martin Richenhagen: Es ist für uns ein ganz wichtiges Geschäft, das wir „Farming 4.0“ nennen. Wir sind überzeugt, dass es auch für unsere Kunden zunehmend attraktiver wird. Denn wenn wir uns mit diesem Thema befassen, stellen wir uns immer die Frage: „Was hat der Kunde davon?“ Schließlich möchten wir dazu beitragen, das Ergebnis der Landwirte substanziell zu verbessern. Da gibt es zum Glück relativ viel Rückenwind, da viele Dinge, die in Zusammenhang mit Landwirtschaft diskutiert werden, durch „Precision Farming“ gelöst werden können.

Beim Ackerbau beispielsweise kann durch eine Optimierung der automatischen Steuerung von Mähdreschern und Traktoren die Zahl der Überfahrten verringert werden. Das wiederum trägt dazu bei, den Bodendruck zu optimieren, weniger Kraftstoff und weniger Inputs wie Düngemittel oder Pestizide zu verbrauchen. Die Düngemittel werden genau da eingebracht, wo die Pflanze es braucht. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Entlastung des Grundwassers, was auch zu einer viel besseren Effizienz führt.

Zudem sind wir der einzige Anbieter von Landmaschinen, der auch Anlagen für die Schweine- und Hühnerhaltung offeriert. Hier gibt es einen zunehmenden Trend in Richtung Tierwohl, amerikanisch: „Animal Welfare“. Dank „Precision Farming“ können wir die transparente Nachverfolgung vom Bauernhof bis auf den Teller gewährleisten – die gesamte Kette. Darüber hinaus können wir zum Beispiel den Gesundheitszustand eines Schweines immer identifizieren und ein auftretendes Problem automatisch bei dem jeweiligen Bauern melden.

Precision Farming: „Die Sau Lisa hat erhöhte Temperatur“

Das wird alles berührungslos gemacht, sodass die Schweine keinen Stress haben. Zudem kann der Landwirt intervenieren, bevor er ggf. überhaupt zu „chemischen Keulen“ greifen müsste. Mögliche Konsequenzen wären hier etwa eine Änderung des Futters, eine Anpassung der Stalltemperatur etc.

Bei Hühnern bieten wir Lösungen, die insbesondere Freilauf und Freilandhaltung ermöglichen. Wir können das Klima im Stall und auch die Beleuchtung steuern. Hühner haben nämlich eine genaue Vorstellung davon, wann es hell, und wann dunkel sein soll.

Auch gibt es in diesem Bereich eine enge Zusammenarbeit mit den NGOs und Organisationen sowie Universitäten und Forschung. Diese Themen markieren schließlich erst den Beginn einer großen Entwicklung. Wir haben in Berlin in der Grünen Woche dieses Jahr einen Summit zum Thema „Animal Welfare“ gemacht. Dabei haben wir sowohl wichtige Akteure der Industrie und der Landwirtschaft eingeladen, als auch die NGOs. Leitthema waren vor allem die Fragestellungen: „Wie sehen Eure Bedürfnisse aus?“ und „Was kann die Wirtschaft hier leisten?“.

Das ist ein riesiger, wachsender Bereich. Ich bin da sehr optimistisch. Wir können dazu beitragen, dass wir die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung mit Qualitätslebensmitteln sicherstellen können. Gleichzeitig können wir etwas für die Umwelt und den Tierschutz tun.

Wie kann die Wissenschaft zu diesen Fortschritten beizutragen?  Gibt es hier bereits Partnerschaften?

Martin Richenhagen: Wir arbeiten mit Universitäten in Georgia, den gesamten USA, aber zum Beispiel auch in Europa und Deutschland zusammen.  Ich persönlich habe einen Lehrauftrag der landtechnischen Fakultät der Universität Dresden inne.

Wir suchen aktiv den Kontakt zur Forschung und Lehre. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wollen wir hören, wie die Fachleute die Zukunft sehen. Und zweitens, weil wir natürlich auch daran interessiert sind, junge Menschen zu erreichen, die gut zu uns passen. Wir verlagern vor allem einen Großteil unserer Forschung und Entwicklung an die Universitäten. Hier werden oft sogar die besseren Ideen entwickelt, die auch schneller realisiert werden können.

In Georgia kooperieren wir zum Beispiel im Bereich „Precision Planting“, der sehr zukunftsträchtigen Pflanz- und Sähtechnologie.

In Deutschland bildet der Mittelstand das Rückgrat der Industrie. Welchen Rat würden Sie deutschen Unternehmern geben, die Interesse an einem US-Markteintritt haben?

Martin Richenhagen: Der Mittelstand ist ja ein breitgefächerter Begriff – das kann ein Unternehmen mit 50.000.000 Euro, aber auch einer Milliarde Euro Umsatz sein. Oft ist es ja so, dass kleine Unternehmen nicht die Manpower haben, um sich in Märkten wie den USA zu bewegen.

Ganz wichtig ist es jedoch, dass man Fehler vermeidet und das in Zusammenhang mit solchen Aktivitäten notwendige Knowhow hat.

Ich empfehle hier die Zusammenarbeit mit dem Georgia Department of Economic Development (GDEcD) und der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, die wirklich einen Super-Job in den USA machen. In Atlanta gibt es die German-American Chamber of Commerce, die verantwortlich für die Südstaaten sind. Beide Organisationen helfen Unternehmen bei der Standort-Suche, Personalakquisition und ähnlichen Dingen weiter.

Am Anfang nimmt man den Markteintritt ja zum Beispiel durch eine Zusammenarbeit oder in einer Bürogemeinschaft bzw. mit Partnern in Angriff – hier sind das GDEcD und die German-American Chamber of Commerce genau die richtigen Ansprechpartner.

Wenn es eher um strategische Fragen geht, empfehle ich das AICGS (American Institute of Contemporary German Studies). Das ist ein „Thinktank“ in Washington, der an die Johns Hopkins University in Washington angegliedert ist. Das AICGS kann auch mit Analysen, Zahlen und anderen wertvollen Informationen helfen. Hier befasst man sich ausschließlich mit dem deutsch-amerikanischen Wirtschaftsverhältnis.

Sie sind gebürtiger Kölner, besitzen aber auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Menschlich gesehen: Was fasziniert einen „Köllsche Jung“ an Georgia?

Martin Richenhagen: Ich habe das große Privileg, mich immer als Europäer gefühlt zu haben. Hier in Georgia erlebt man eine ungeheure Gastfreundschaft, das merkt man schon in den Geschäften. Man wird freundlich begrüßt, die Leute sind immer positiv drauf. Auch das sonnige Wetter hilft natürlich. Atlanta ist eine der waldreichsten Städte der Welt. Wir haben Flüsse und Seen – also das sprichwörtliche „Living is easy, fish are jumping and the cotton is high“, die der Soulkünstler Sam Cooke in „Summertime“ einst inbrünstig besang. 

Herzlichen Dank für das Gespräch.